Start: Wenn alle Elemente geladen sind, sollte ein grüner Start-Button erscheinen.
Steuerung: Der Text kann wie gewohnt mit dem Scrollrad, dem Scrollbalken, oder absatzweise mit den zwei grünen Pfeilen gesteuert werden. Die Tondokumente können vom Leser durch einen Klick auf "Auto" dauerhaft aus oder eingeschaltet werden.
Lesebereich: Es sollte unbedingt innerhalb des grau umrandeten Lesebereichs gelesen werden, damit die Tondokumente zu den richtigen Absätzen abgespielt werden.
Kompatibilität: Die Reportage wurde auf den aktuellen PC-Versionen von IExplorer, Firefox, Mozilla und Opera getestet. Auf Apple läuft sie teilweise (Safari und Camino). Ich freue mich auf Erfahrungsberichte von anderen Browsern und Systemen (z.B. Linux).
Opera:
Bleibt die Ladeanzeige bei 0% stehen? Wegen eines Bugs muss in Opera Java installiert und aktiviert sein, sonst kann Javascript das Plugin nicht ansprechen. Extras/Einstellungen/Erweitert/Inhalt/Java aktivieren.
START
Wenn er weg ist, wird er fehlen
In einem Jahr wird die Hälfte des Münchner Hauptbahnhofs abgerissen. Höchste Zeit, ihn zu mögen. Von Matthias Eberl
Eigenartig, wie man Dinge vermisst, wenn sie plötzlich weg sind, obwohl sie vorher nie aufgefallen sind. Oder sogar gestört haben. Ich habe den Münchner Hauptbahnhof immer als eine Störung empfunden.
Die Münchner haben ihn nie wirklich geliebt.
Die Uhr sollte einst der architektonische Akzent an der Fassade sein und die strenge Symmetrie der Schalterhalle aufbrechen, aber mit ihren grauen Zeigern auf schwarzem Grund und ihrer Schmucklosigkeit habe ich sie immer als eigenständige Häßlichkeit an der Fassade wahrgenommen. Riesig, beinahe so hoch wie ein Reihenhaus in Trudering, wurde sie zum Symbol Münchner Bausünden.
Der Stil des Bauwerks besaß eine selten kurze Verfallszeit. 1960 gebaut, hielt man den Bahnhof schon in den 70er Jahren für eine architektonische Schandtat. Der wuchtige Bau wirkte immer so, als sei ein viereckiger Quader an das Ende des deutschen Gleisnetzes gefallen. Nie sah dieser Block so aus, als würde er jemals wieder verschwinden.
Vor einigen Wochen habe ich dann aus der Zeitung erfahren, dass die Schalterhalle und die Fassade Ende 2006 abgerissen werden sollen, um einem Neubau zu weichen. Noch steht der häßliche Quader. Aber mir ist aufgefallen, dass ich ihn bereits anders wahrnehme: Schon die Vorstellung, dass ein Ding in Zukunft fehlen wird, lässt ein Gefühl von Verlust entstehen.
Plötzlich fallen mir Kleinigkeiten auf, die mir fehlen werden. Beim Eintritt in die Schalterhalle fällt mein Blick auf die kleinen, zugigen Schwingtüren mit abgenutzem Metallgriff, die ein „DB“ eingeprägt haben. Wie viele Interrailer sind an diesem Griff schon mit ihrer Isomatte hängen geblieben auf dem Weg in die Toskana?
Vieles in der Schalterhalle werde ich nicht vermissen. In den letzten 45 Jahren haben sich unter den zehn grauen Eisenträgern zahlreiche Geschmacksirrtümer angesammelt. Zwischen den porösen Steinplatten hat man irgendwann neue Fahrkartenschalter eingelassen, mit runden, metallenen Handtaschenablagen davor. Es stört mich, dass sie nicht zu den messingfarbenen Umrahmungen der Lüftungsklappen und Schaukästen daneben passen.
Vermissen werde ich aber die Zahlen aus komplizierten Kursbüchern für Regionalzüge, die sich hier durch kleine Türchen oder Sprechanlagen zum Ohr des Reisenden zwängen, nachdem sie von Bahnangestellten über der Spitze des Zeigefingers vom Papier gelesen wurden.
Ein derart über die Abfahrt seines Regionalzuges nach Stuttgart informierter Reisender konnte die Wartezeit früher in einem Aki-Non-Stop-Kino überbrücken, das oberhalb der Schalter im Bahnhof wohnte. Mancher wird es heute schon vermissen. An seiner Stelle durchbricht jetzt eine Stahl- und Glaskonstruktion mit Spitzdach zwei Rundbögen aus rotem Backstein. Rundbögen aus Backstein wird es im neuen Bahnhof sicher nicht geben. Die Glas- und Stahlkonstruktion, in der heute Mobilfunkgeräte und Diddlmäuse verkauft werden, wird wie alle Glas- und Stahlkonstruktionen von Halogenlicht sterilisiert - das wird auch im neuen Bahnhof so bleiben. Diddlmäuse und Mobilfunkgeräte stammen aus den 90er Jahren und werden im neuen Bahnhof möglicherweise nicht mehr zu finden sein. Falls man sie wirklich vermisst, wird man im neuen Bahnhof Ersatz finden, da bin ich mir sicher.
Am Ende der Schalterhalle, im Übergang zur Gleishalle, versteckt sich hinter einem Lottostand der Eingang zu den Schließfächern. Ein Neubau dieser langen Reihen wird kein Verlust sein, weil ich jeden Raum mit Schließfächern mag für seine Leere, Einsamkeit und Dunkelheit und für den Hall eines einzelnen Rollkoffers oder den Hall fallender Münzen im Münzgang eines Schrankschlosses.
Räume mit Schließfächern sind zeitlos.
Von den Schließfächern führt ein kleiner Durchgang zum Personalparkplatz und der Lieferantenzufahrt an der Südseite. Hier wird bei den Bauarbeiten der Bauhof untergebracht sein. Man spürt auf diesem Hof die Ruhe des Verfalls, die auch alte Häuser oder Fabriken haben, bevor sie abgerissen werden. Vieles ist improvisiert, veraltet oder defekt. 45 Jahre Symbiose zwischen Bauwerk und Mensch haben ihre Spuren hinterlassen. Man bemerkt hier am stärksten, dass es dem neuen Bahnhof auch an solchen Spuren und Stimmungen fehlen wird, die ein Architekt nie entwerfen kann.
Im März 2006 soll die Entscheidung fallen, ob der Entwurf des Architektur-Büros Auer & Weber oder der von Gewers, Kühn und Kühn umgesetzt wird.
Ich hab keine Ahnung von Architektur, aber die neuen Bauten haben schon verloren. Ich werde den alten Bahnhof vermissen. Und seine Uhr.