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Diese Seite berichtet von München aus über Multimedia, digitales Storytelling und Kunst im Netz. Und stellt eigene Entwicklungen in diesem Bereich vor.

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Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, auf einer der ersten Seiten im WWW.





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Bosnia: Uncertain Paths to Peace

bosnia_uncertain_paths_to_peace.jpgAm 10. Juni 1996 erschien bei der New York Times ein ungewöhnlicher Beitrag. Statt einem Text fanden die 70.000 Subscriber der elektronischen Ausgabe (die erst Anfang des Jahres ihren Betrieb aufgenommen hatte) ein Experiment: einen Haufen zusammenhangloser Bestandteile, die per Hyperlink miteinander verknüpft wurden. Die Geschichte Bosnia: Uncertain Paths to Peace (Update Dezember 2010: Bosnia: Uncertain Paths to Peace) war eines der ersten Experimente in multimedialem Journalismus und wurde 1997 für den Pulitzer Preis nominiert. Aber das Werk ist nicht nur bedeutsam als Beispiel für Multimedia im Onlinejournalismus, sondern es ist eines der wenigen Beispiele für Hypertext im Journalismus: Fast jede Seite bietet unter dem Link "more" eine Vertiefung an und über "Grid" kann man die Bilder und dann die Bestandteile der Geschichte in wilder Eigenregie navigieren (es empfiehlt sich bei solchen Werken grundsätzlich - man lege mir diesen Hinweis bitte nicht als Häme aus - zuerst die Navigations-Anleitung zu konsultieren).
Der Hypertext war die eigentliche Initial-Zündung für die Idee des Webs: Ein Link war anfangs nicht nur als Verbindung zwischen Dokumenten gedacht, sondern sollte auch die Verbindung einzelner Elemente einer Geschichte übernehmen. Diese Idee begeisterte Kreative noch vor der Entwicklung des Webs, unter anderem die Literaten, kam aber bereits einige Jahre nach dem Durchbruch des Webswieder zum Erliegen (Telepolis: Ein Nachruf auf die Hypertext-Bewegung). Der Grund war, dass sich zwischen den einzelnen Bestandteilen (nach Roland Barthes auch "Lexias" genannt) nicht im entferntesten eine ähnliche fesselnde narrative Reihenfolge entwickeln ließ, wie es ein herkömmlicher Text vermochte. Der Leser war gleichzeitig der Erzähler und diese Arbeit schien ihm zu mühsam zu sein und die Vertiefung im Text zu stören. Der Traum machtkritischer Intelektuelle, etwas berichten zu können, ohne als Autor eine Ordnung festzuschreiben, war gescheitert. Das Internet nutze den Hyperlink also fast nur noch zum linearen Verlinken einzelner Bestandteile oder zum Verknüpfen ganzer Texteinheiten und der Autor blieb der Strippenzieher der narrativen Vermittlung.
Der Beitrag, der erst seit kurzem wieder bei der New York Times abrufbar ist, ist heute immer noch sperrig zu konsumieren. Aber die Fotos in schwarz-weiß, die oft als Serie angelegt sind, entwickeln eine spannende Dynamik, die extrem reduzierten Ton und Videoelemente geben einen aufregenden Blick zurück in die Steinzeit des WWW. Beachtlich ist außerdem die Integration eines Forums in den Beitrag - nur wenige Monate nach dem Start von nytimes.com erkannte man hier bereits das Potential dessen, was man heute Social Media nennt.
Via Hilmar Schmundt per Mail ... der Kollege, der bereits 1998 über hypertextuellen Journalismus geschrieben hat.

Veröffentlicht am 23. Dec. 2010. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 2

Caro wrote at 2010-12-23 17:31:

Leider kommt bei der NYT (und auch unter dem Link bei "After Photography") die Meldung, dass die Seite nicht gefunden werden konnte. Kann man die Show vielleicht noch wo anders sehen? Mich würde so ein Pionierprojekt nämlich sehr interessieren.

Matthias wrote at 2010-12-23 19:27:

Ja, es gibt einen Mirror bei den Machern. Ich hab den Link eingefügt.




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