Ein uralter Gag in zahlreichen Spielfilmen ist es, die Medialität des Films in die von ihm erzählte Geschichte hineinplatzen zu lassen, so wie z.B. bei dieser Kamerafahrt in der Komödie Höhenkoller (High Anxiety) von Mel Brooks:
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Aus medientheoretischer Perspektive sind diese Gags (hier eine Übersicht) sehr interessant: Sie funktionieren nur, weil der Film beim Erzählen traditionell seine Vermittlungsfunktion verschleiert, mit der er die Geschichte an den Zuschauer vermittelt. Die Kamera sollte normal nicht zu sehen sein. Während der Roman nicht selten seine Vermittlungsfunktion betont und inszeniert, um für den Leser die Wahrhaftigkeit der Geschichte vorstellbarer zu machen, z.B. durch eine Rahmenhandlung wie in Umberto Ecos "Der Name der Rose", erzielt der Film seinen Wirklichkeitseindruck durch die konsequente Vermeidung aller Anzeichen, die verraten könnten, dass er überhaupt ein Medium ist.
Als ich vor einigen Tagen eine ordentlich misslungene Audio-Slideshow produziert habe, machte ich auch den Fehler, mich völlig unüberlegt am Film zu orientieren. Ich verschleierte die Aufnahmesituation und konfrontierte die Protagonistin direkt mit dem Zuschauer. Die Geschichte wird wie in vielen zeitgenössischen Dokumentarfilmen ohne Off-Sprecher vermittelt. Als ich mit Dirk von jetzt.de diese Audio-Slideshow besprach, war ein eher beiläufig geäußerter Kritikpunkt: "Warum hast Du nicht ein Photo von der Interviewsituation gemacht?"
Intuitiv gefiel mir die Idee. Aber warum verlangt man als Zuschauer nach den Spuren der Aufzeichnung, nach Bildern mit Mikrofon und Aufnahmegerät? Nach einigem Nachdenken erinnerte ich mich an die Überlegungen, die der französische Medienphilosoph Roland Barthes über die Photographie angestellt hat: In seinem berühmten Werk
Die helle Kammer stellt er die These auf, dass Photographien nicht Wirklichkeit wiedergeben, sondern vergangene Wirklichkeit und in ihrem eigentlichen Wesen dem Tod verwandt sind. Jede Photographie sei eine Erinnerung an den Tod, ein memento mori, weil sie etwas über das aussagt, was gewesen ist. Diese Eigenheit des Photos überträgt sich auf die Audio-Slideshow und erzwingt eine stärkere Vermittlung in das Vergangene.
Der Film als mimetische Erzählung (showing) gibt sich also als unvermittelte Erzählung oder, wie man sagen könnte, als kurzfristig von der realen Zeit befreite Gegenwart aus. Die Audio-Slideshow mit ihren Photographien ist dagegen stärker eine diegetische Erzählung (telling), die eine zeitlich vergangene Situation schildert. Sie kann nicht wie der Film eine Gegenwartswahrnehmung imitieren, sondern benötigt viel stärker einen Erzähler oder eine Erzählinstanz, die zur Vergangenheit der Photos vermitteln muss - umso glaubwürdiger, umso realer wird die Geschichte. Damit folgt die Audio-Slideshow vielleicht am stärksten der oralen Erzählsituation, die vor der Erfindung des Buchdrucks das vorherrschende narrative Format war.
(Mehr dazu auch in meinem Kommentar bei onlinejournalismus.de).
Veröffentlicht am 08. Oct. 2007. in [/Wissenschaft/Theorie]
Kommentare: 3
Matthias Eberl wrote at 2007-10-11 17:01:
Natürlich, das meinte ich ja auch: Die Audio-Slideshow benötigt vielleicht stärker die Präsentation ihrer Erstehung bzw. die Etablierung eines Erzählers. Das Mel Brooks-Beispiel sollte das zeigen: Was im Spielfilm und in manchen Dokumentarfilmen komisch wirkt (mediale Selbstreflexivität), ist in der Audio-Slideshow vielleicht notwendig.
Dirk wrote at 2007-10-11 18:19:
Reflektion ist glaube ich das Stichwort - und vermutlich auch der Grund, warum diese Soundslides sich vor allem für ruhigere, getragene Themen eignen.
Dirk wrote at 2007-10-11 16:35: