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Feuilletonistischer Kommentar zur Raumwirkung des Oktoberfests

Neben dem Fest

neben_dem_fest.jpg

Heute ist bei FAZ.NET meine Audio-Slideshow über die Randgebiete des Oktoberfests erschienen: Neben dem Fest (Update: Neue URL nach Relaunch: Neben dem Fest.
Update: Nun auf meinem Server: Neben dem Fest

Das ganze ist ein Experiment: Die Slideshow verwendet einen heterodiegetischen Sprecher (Off-Sprecher), den ich in meinen Seminaren lange Zeit als ungeeignet für das Medium verteufelt habe. In diesem Punkt habe ich mich hoffentlich selbst widerlegt. Der Text zur Slideshow ist nun aber nicht nachrichtlich, sondern feuilletonistisch, er besteht hauptsächlich aus Beobachtungen und ihrer Analyse, versucht aber trotzdem zu emotionalisieren. Auf diese Weise schummelt sich doch wieder das Subjekt in die Erzählung. Die essayistische Slideshow ist damit fundamental anders als meine bisherigen, nicht nur wegen der Erzählperspektive, sondern auch wegen der abgeänderten Erzählfunktion des Bildes: Der Leser ist hier nämlich nicht mehr in einen durch Text, Bild und Ton klar begrenzten Raum hineinversetzt, in dem ein eingeführtes Figurenpersonal konkrete Handlungen ausführt (so arbeiten fast alle Reportagen mit erzählendem Protagonisten). Sondern der Leser sieht sich gleich einem ausschließlich abstraktem Gedankengebäude gegenüber, bei dem die Bilder nur noch exemplarische Funktion haben und nicht eine spezifische Situation oder Handlung zeigen. Ich hoffe, ich konnte hier auf ein weiteres mögliches Format der Slideshow hinweisen, mit einem anderen Text und mit einem anderen Zusammenspiel zwischen Bild und Text als bei den meisten bisher in Deutschland genutzten Formaten. Das könnte vor allem für Fotografen interessant sein, die gerne in Langzeitprojekten arbeiten.

Inspiriert zu dieser Erzählform hat mich vor allem der bezaubernde und sprachlich grandiose Dokumentarfilm von Dominik Graf und Michael Althen, "München - Geheimnisse einer Stadt" (ein paar Teile daraus bei Youtube). Obwohl Dokumentarfilme viel häufiger mit exemplarischen Bildern arbeiten, ja sogar oft dazu gezwungen sind, wenn sie keine konkret erzählendes Bildmaterial zur Verfügung haben, ist dieser Film auch durch seinen feuilletonistischen Text wieder ungewöhnlich. Während alles vom Iconic Turn redet und wir täglich durch Musikvideos oder Werbeclips berührende ästethische Erfahrungen machen, haben diese beiden Regisseure gezeigt, wieviel poetische Macht selbst in einem Dokumentarfilm allein vom Text ausgehen kann.

Zum anderen hat mich ein älterer Text von Kurt Lewin über die Landschaft des Krieges inspiriert: Obwohl sein Aufsatz namens "Kriegslandschaft" zu den Grundtexten der Raumtheorie gehört, ist er eigentlich ein wunderbar essayistischer Text, wie man ihn in einer Zeitung gerne lesen würde. Nach diesem Vorbild habe ich mir dann das Oktoberfest angeschaut und analysiert, nur mit Notizblock und Kamera ausgestattet. Auf Atmo-Aufnahmen habe ich verzichtet, da diese das Exemplarische der Bilder gestört hätten und stärker eine spezifische Situation mitgeteilt hätten.

Und dann habe ich zum ersten Mal mit einem professionellen Sprecher zusammengearbeitet. Osman Ragheb hat den Text wunderbar eingesprochen. Die 230,-€, die dafür an die Agentur Engelszungen gehen, dürften aber im journalistischen Alltag schwer einspielbar sein. Außerdem zieht sich die Fertigstellung der Slideshow durch die Terminorganisation für Sprecher und Studio nochmal merklich hin.

Kurt Lewin: Kriegslandschaft. In: Dünne, Jörg; Günzel, Stephan (Hrsg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaft

Veröffentlicht am 28. Sep. 2011. in [/Eigene_Projekte] Kommentare: 0




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