Schloss auf einem Hügel
Rufposten
 
Text. Bild. Ton.
Diese Seite berichtet von München aus über Multimedia, digitales Storytelling und Kunst im Netz. Und stellt eigene Entwicklungen in diesem Bereich vor.

Rufposten wird betrieben von Matthias Eberl.
Über mich
Kontakt
Kurse



»Put up some data.
Suggest someone else does.
Manage a subject area.
Write some software.
Send us suggestions.
Tell your friends.«
Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, auf einer der ersten Seiten im WWW.





RSS Feed





Minimal Scrollytelling

baertierchen.jpg Die National Geographic benutzt in letzter Zeit häufig sehr knackige, kurze Multimediatexte wie z.b. diesen sehr charmanten Beitrag über das nicht minder charmante Bärtierchen. Ein guter Kniff, um einen vorhandenen Videobeitrag in einen Multimedia-Text zu verwandeln, ohne den Leser durch lange Filmelemente vom Lesen abzulenken. Mir gefällt die sehr kleine Zerlegung der Videos, der Verzicht auf Ton, die Konzentration auf das Wesentliche des Videomaterials und die konsequente Verlagerung aller Informationen in den Text. Nicht so toll: Die Verwendung von GIFs statt HTML5 und die alberne Listical-Untergliederung. Hier ein weiteres Beispiel.

Veröffentlicht am 24. Jan. 2015. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 0


Kleiner Debatten-Anstoss zur Audio-Slideshow

Tiere auf Wanderschaft

Schöne Audio-Slideshow von der Radiojournalistin Sandra Müller: Tiere auf Wanderschaft. In ihrem Weblog stellt sie einige Thesen dazu auf, wie eine gute Audio-Slideshow sein sollte. Neu und gut fand ich vor allem den Tipp, dass man sich als Journalist im Interview lebendig und impulsiv verhalten sollte, um den Protagonisten zu einer persönlichen und lebendigen Erzählung anzuregen, das ist im Beispiel wirklich hervorragend gelungen. Auch schöne Fotos, gute Musikuntermalung und spannender Einsatz von Schrift, habe ich so auch noch nicht gesehen. Um die Debatte zu ihren 10 Punkten zu eröffnen: Gerade am Anfang der Reportage finde ich Bild und Ton etwas zu weit auseinander, diese "Bildlöcher" hätte ich vermieden. In dem Punkt stimme ich also nicht zu.

Veröffentlicht am 31. Jul. 2014. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 0


Großartige Webdoku

Netwars

netwars.jpg

Netwars ist eine der besten Webdokus, die ich bisher gesehen habe. Nicht nur wegen dem spannenden Thema (Kriegsführung über das Internet) und der interaktiven Einbeziehung des Users, nicht allein wegen der technischen Finesse (kein Flash), sondern auch wegen den vielen Details, wie z.B. der liebevoll asynchronisierten Moderatorfigur (gespielt von Nikolai Kinski), die klar in der Tradition von Max Headroom, dem G-Man aus Halflife 2 und der wenig vertrauenswürdigen Computerstimme aus Portal steht.

Veröffentlicht am 19. Apr. 2014. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 1


Beispiel für gute Interview-Doku

Die Geschichte von Ross Capicchioni

ross_capicchioni.jpg

Schon vor einiger Zeit bin ich auf dieses packende Video mit dem Skateboarder Ross Capicchioni gestoßen, der in einem längeren Interview erzählt, wie er 2007 angeschossen wurde. Auf den ersten Blick bemerkenswert ist seine Art zu erzählen und das erinnerte mich wieder daran, dass der wichtigste Punkt für einen Multimedia-Journalisten sicher die Suche nach der guten Geschichte ist, die von einem beteiligten Protagonisten auch gut erzählt werden kann. Da man diese Eigenschaft zu Recht dem Protagonisten zuschreibt, vergisst man schnell, dass der Journalist diese Geschichte und diesen Protagonisten erst finden muss und dann mit guter Fragetechnik und einfühlsamen Umgang die geeignete Erzählsituation schafft, aus der sich ein Interview wie dieses entwickeln kann. Aber wenn man genauer aufpasst, endeckt man in diesem Video auch einen erstaunlich sorgfältigen Umgang mit Effekten. Zum einen natürlich die musikalische Begleitung und die Farbbearbeitung, aber auch plötzliche Schwarzblenden und die größtenteils gut miterzählenden Schnittbilder und Close-Ups.

Veröffentlicht am 26. May. 2012. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 0


Eine Besprechung von Florian Thalhofers interaktivem Projekt "Planet Galata"

Interaktiv am Rezipienten vorbei

florian_thalhofer.jpg Unter Journalisten ist Florian Thalhofer bisher wenig bekannt, obwohl er seit über zehn Jahren mit interaktiven Medien experimentiert und wie kaum ein anderer Künstler in diesem Bereich inhaltliche und technische Entwicklungen vorangebracht hat, darunter z.B. eine eigene Produktions-Software namens Korsakow. Sein letztes Projekt, Planet Galata, ist ein Portrait über die Menschen auf der Galata-Brücke in Istanbul, das er zusammen mit der türkischen Filmemacherin Berke Baş erstellt hat. Als ich diesen interaktiven Film vor einigen Monaten zum ersten Mal sah, war ich aus journalistischer Perspektive enttäuscht: Der Film ist ungewohnt sperrig zu konsumieren, man muss sich mehr oder weniger zufällig durch die zahlreichen einzelnen Abschnitte und Takes klicken. Als durchschnittlicher Rezipient verlor ich wegen dem fehlenden Spannungsaufbau schnell das Interesse am Fortgang der Geschichte. Irritierend empfand ich auch die biographische Details von Thalhofer, die mitten im Werk auftauchen und die in keiner Verbindung zum Thema standen. Hier zeigte sich ebenfalls die künstlerische Ausrichtung des Werks.
planet_galata.jpg

Vor einigen Tagen hatte ich die Möglichkeit, Thalhofer in München kennenzulernen, mit ihm meine Vorbehalte zu diskutieren und so eine neue Perspektive auf seine Arbeit zu gewinnen.
Dabei wurde schnell klar, dass Thalhofer sich gar nicht als Journalist versteht und auch gar kein Interesse hat, dem Rezipienten eine angenehme Rezepetion zu ermöglichen. Ich hatte eher den Eindruck, dass er sich nur seiner eigenen Leidenschaft als Aufzeichner von Wirklichkeit verpflichtet fühlt. Diese Leidenschaft hat ihn über die Jahre zum interkativen Film seiner Prägung geführt. Die Interaktivität erlaubt es ihm, etwas Aufgezeichnetes an den Rezipienten zu geben, ohne ihm eine lineare erzählerische Struktur mitzugeben, anders als beim normalen Film, den er gerade dafür kritisiert: Linear film lies, schreibt er, weil er die Reduktion kritisiert, die mit einem festen Spannungsaufbau einhergeht. Dass der Rezipient den Film durchaus linear konsumiert, nur eben in einer mehr oder weniger zufälligen Reihenfolge, steht für ihn auch nicht im Vordergrund. Entsprechend auch die Wortwahl: Er bezeichnet seine Projekte fast duchgänging als "nichtlineare" Filme, weil er als Autor keine spezifische Linearität festlegt. Ich würde dagegen eher von interaktiven Filmen sprechen, weil mir die Wahlmöglichkeit des Rezipienten als entscheidendes Kriterium gilt.
Es lohnt sich, diese Wahlmöglichkeit genauer zu betrachten. Seine Software Korsakow erlaubt es, einzelne Filmabschnitte einem oder im Normalfall mehreren anderen Abschnitten zuzuordnen. Dadurch entsteht eine Art Mindmap, die den Film strukturiert und die beim Betrachten im Hintergrund arbeitet und die (in diesem Fall meist vier) zur Verfügung weiterführenden Abschnitte auswählt. Es ist also keineswegs so, dass die einzelnen Passagen zufällig angeordnet sind, sondern Thalhofer ordnet, wenn ich das richtig verstanden habe, nach abstrakten oder intuitiven Gemeinsamkeiten. Damit widerspricht er zwei älteren Traditionen: Zum einen geht es ihm nicht um eine möglichst weitgehende Auflösung der auktorialen Ordnungsmacht, wie es in den 70er Jahren oft gefordert wurde und in den 90er Jahren auch vereinzelt umgesetzt wurde (z.B. in dieser ethnographischen CD-ROM über die Yanomami). Auch im heutigen Daten-Journalismus findet sich noch der alte Wunsch nach einer direkten, unstrukturierten Übergabe der gesammelten Informationen an den Rezipienten. Zum anderen wendet er sich aber auch ganz bewusst gegen alle durchgeplanten interaktiven Erzählformen, bei denen der Rezipient wissentlich Entscheidungen über den Verlauf der Geschichte treffen muss. Ein Beispiel für so eine Geschichte wäre Samuel Bollendorffs Voyage au bout du charbon. Während der Rezipient bei Bollendorff genug Informationen bekommt, um - als wäre er selbst der Journalist - zu entscheiden, wie die interaktive Reise weitergehen soll, finden sich bei Thalhofers Planet Galata keine solchen Hinweise. Seine frühen Experimente sind noch durchgeplante Erzählungen, so z.B. Small World von 1997. Aber von diesen Formen hat er sich entfernt, wie er selbst sagt, weil er diese Planung als Lüge empfindet. Dadurch entstand für mich das Dilemma, dass ich an keinem Punkt wusste, welchen Beitrag ich bei Planet Galata als nächstes wählen soll. Vielleicht können andere Rezipienten dieser intuitiven Auswahl etwas abgewinnen. Aber ich denke, dass Interaktivtät bei journalistischen Projekten nur dann Sinn macht, wenn der Rezipient erstens die Wahlmöglichkeit überhaupt benötigt und zweitens genug Informationen hat, um diese Wahl dann nach seinen Vorlieben zu treffen.
Der zweite oben angesprochene Kritikpunkt betrifft die persönlichen Details, die der Autor an einem Punkt der Geschichte beisteuert. Ich bin ein großer Freund des Ich-Erzählers und Thalhofer setzt ihn in einigen Abschnitten schön ein, aber was Thalhofer hier macht, bringt die Erzählperspektive in Verruf: Der Abschnitt führt mich vom eigentlichen Thema, der Galata-Brücke, weg und fokussiert den Autor selbst. Diese Zentrierung von Florian Thalhofer auf sich und seine Arbeit fällt auch außerhalb des Projekts auf, so etwa die ironisch übertriebene Selbstdarstellung des Korsakow-Systems auf verschiedenen Websites. Zitat: "ATTENTION: EXTENSIVE USE OF THE KORSAKOW SOFTWARE MIGHT CHANGE YOUR PERCEPTION OF THE WORLD. But don't be afraid: Korsakow is not a religion." Mir kam es so vor, dass diese Selbstdarstellung und auch diese Passagen eine perfekt zugeschnittene Antwort auf die Bedingungen des Kunstbetriebs sind, auch wenn Thalhofer das abstritt. Ich hätte mir hingegen statt dieser spielerischen oder ironisierenden Selbstdarstellung mehr sachliche Selbstkritik gewünscht, so dass auch klar wird, dass das Format sich in einem außerordentlichen Experimentstatus befindet und gegenüber anderen Medienformen durchaus Nachteile hat. Außerdem verhindern sie, zusätzlich zu der Sperrigkeit des fordernden Formats, die Wahrscheinlichkeit, dass der Onlinejournalismus Thalhofers Projekte, seine Ideen und seine Software aufgreift.
Das finde ich schade, da seine Filme durchaus sehr ambitioniert gedreht sind und er gut beobachten kann. Sein Film erzeugt eine sehr differenzierte, polyvalente und uneindeutige Sicht auf die Galata-Brücke, die ich als sehr angenehm empfunden habe. Nach dem Gespräch blieb ich also mit gemischten Gefühlen zurück: Einerseits mit großer Bewunderung für den leidenschaftlichen und offensichtlich völlig unbeirrbaren Einsatz von Thalhofer für seine spezielle Idee vom nichtlinearen Erzählen. Andererseits mit großem Bedauern, dass man Thalhofers Projekte und sein Korsakow-System wegen der völlig fehlenden Ausrichtung am Rezipienten nicht als Vorbild für interaktiven Multimedia-Journalismus verwenden kann, sondern höchstens als Inspiration. Denn dass sich der Rezipient an diese Filme gewöhnt, wie Thalhofer meint, daran glaube ich nicht.

Fotos: Juliane Henrich / Florian Thalhofer

Veröffentlicht am 12. Feb. 2012. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 1


Sehenswerte Online-Reportage aus der Reihe "Berlinfolgen"

"Ich stürze ins Kotzen"

berlinfolgen_gero.jpg

Bei den "Berlinfolgen" ist vor kurzem ein neues Portrait erschienen, das mir sehr gut gefällt: Gero, der Obdachlose. Die Bilder und Videosequenzen von Jannis Keil sind - wie man es von 2470media gewohnt ist, hervorragend, aber bemerkenswert ist diesmal auch die Tonspur, die die kurze Reportage besonders macht. Eine berührende Eindringlichkeit liegt in manchen Schilderungen aus Geros Alltag und man fühlt sich sofort an Franz Biberkopf aus dem Roman "Berlin Alexanderplatz" erinnert, der ebenfalls nach dem Knast auf der Straße landete und an den Menschen verzweifelte. Diese sprachliche Dichte verdankt man an erster Stelle natürlich einem zum Erzählen begabten Protagonisten (den man erstmal finden muss - das gehört auch zur Reportagearbeit). Aber es braucht auch einen Interviewer, der zuhören kann, der Vertrauen aufbauen kann und der die richtigen Fragen stellt. Hier hat Plutonia Plarre von der TAZ gut gearbeitet. Sie hatte über Gero bereits 2010 eine Textreportage gemacht und ihn für die Multimediaserie ein zweites Mal befragt.
Ich hätte lediglich längere Pausen zwischen die einzelnen Interview-Abschnitten eingefügt, um der Reportage mehr Ruhe zu geben.

Veröffentlicht am 29. Jun. 2011. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 0


Eine der ältesten Multimedia-Produktionen

Bosnia: Uncertain Paths to Peace

bosnia_uncertain_paths_to_peace.jpgAm 10. Juni 1996 erschien bei der New York Times ein ungewöhnlicher Beitrag. Statt einem Text fanden die 70.000 Subscriber der elektronischen Ausgabe (die erst Anfang des Jahres ihren Betrieb aufgenommen hatte) ein Experiment: einen Haufen zusammenhangloser Bestandteile, die per Hyperlink miteinander verknüpft wurden. Die Geschichte Bosnia: Uncertain Paths to Peace (Update Dezember 2010: Bosnia: Uncertain Paths to Peace) war eines der ersten Experimente in multimedialem Journalismus und wurde 1997 für den Pulitzer Preis nominiert. Aber das Werk ist nicht nur bedeutsam als Beispiel für Multimedia im Onlinejournalismus, sondern es ist eines der wenigen Beispiele für Hypertext im Journalismus: Fast jede Seite bietet unter dem Link "more" eine Vertiefung an und über "Grid" kann man die Bilder und dann die Bestandteile der Geschichte in wilder Eigenregie navigieren (es empfiehlt sich bei solchen Werken grundsätzlich - man lege mir diesen Hinweis bitte nicht als Häme aus - zuerst die Navigations-Anleitung zu konsultieren).
Der Hypertext war die eigentliche Initial-Zündung für die Idee des Webs: Ein Link war anfangs nicht nur als Verbindung zwischen Dokumenten gedacht, sondern sollte auch die Verbindung einzelner Elemente einer Geschichte übernehmen. Diese Idee begeisterte Kreative noch vor der Entwicklung des Webs, unter anderem die Literaten, kam aber bereits einige Jahre nach dem Durchbruch des Webswieder zum Erliegen (Telepolis: Ein Nachruf auf die Hypertext-Bewegung). Der Grund war, dass sich zwischen den einzelnen Bestandteilen (nach Roland Barthes auch "Lexias" genannt) nicht im entferntesten eine ähnliche fesselnde narrative Reihenfolge entwickeln ließ, wie es ein herkömmlicher Text vermochte. Der Leser war gleichzeitig der Erzähler und diese Arbeit schien ihm zu mühsam zu sein und die Vertiefung im Text zu stören. Der Traum machtkritischer Intelektuelle, etwas berichten zu können, ohne als Autor eine Ordnung festzuschreiben, war gescheitert. Das Internet nutze den Hyperlink also fast nur noch zum linearen Verlinken einzelner Bestandteile oder zum Verknüpfen ganzer Texteinheiten und der Autor blieb der Strippenzieher der narrativen Vermittlung.
Der Beitrag, der erst seit kurzem wieder bei der New York Times abrufbar ist, ist heute immer noch sperrig zu konsumieren. Aber die Fotos in schwarz-weiß, die oft als Serie angelegt sind, entwickeln eine spannende Dynamik, die extrem reduzierten Ton und Videoelemente geben einen aufregenden Blick zurück in die Steinzeit des WWW. Beachtlich ist außerdem die Integration eines Forums in den Beitrag - nur wenige Monate nach dem Start von nytimes.com erkannte man hier bereits das Potential dessen, was man heute Social Media nennt.
Via Hilmar Schmundt per Mail ... der Kollege, der bereits 1998 über hypertextuellen Journalismus geschrieben hat.

Veröffentlicht am 23. Dec. 2010. in [/Journalismus/Multimedia-Reportagen] Kommentare: 2




Valid XHTML 1.0  Powered by Blosxom