Alexander S. ist Informatiker und hat seit 2017 die Zeit abonniert. Gestern hat er eine Datenschutzbeschwerde gegen Zeit Online eingereicht, weil diese über einen in die Seite integrierten Facebook-Tracker sein Leseverhalten an Facebook sendet. Die Behörden weisen schon länger darauf hin, dass das Marketing-Tool rechtswidrig ist, aber viele Verlagen ändern nichts, möglicherweise auch deshalb, weil Verfahren und Urteile dazu noch ausstehen. Alexander S. nutzte für seine Beschwerde eine Textvorlage und Anleitung, die wir heute veröffentlicht haben. Darin sind auch die juristischen Details aufgeführt, mit denen der Tracker gegen die DSGVO verstößt.
Alexander, du hast gerade mit Hilfe unserer Vorlage eine Datenschutzbeschwerde gegen die Zeit abgeschickt.
Alexander: Ja, ich wollte das schon lange machen, es hat sich nur etwas hingezogen, bis ich dazugekommen bin. Aber dann ging es eigentlich sehr fix, wenn man sich einmal hingesetzt hat.
Warum willst du nicht, dass wir deinen vollen Namen nennen?
Alexander: Weil ich mein Zeit-Abo behalten möchte. Ich will, dass sie das mit dem Facebook-Tracker ändern, aber ich möchte keinen Stress mit dem Verlag, nicht dass sie mir noch das Abo kündigen.
Das klingt so, als wärst du eigentlich ein großer Fan der Zeitung.
Alexander: Ja, eigentlich schon. Wenn man wie ich mit Kind weniger Zeit für Nachrichten hat, ist so ein Wochenzeitungsformat schön und sehr praktisch. Zudem mag ich die Zeit einfach für die politische Ausrichtung, ich sehe sie eher links und es ist schwierig gute Zeitungen zu finden, die in diesem politischen Spektrum schreiben. Ich finde auch die Artikel immer sehr gut recherchiert.
Und du liest neben dem Print-Abo auch online?
Alexander: Genau, wir haben sogar das doppelte Abo: Print und Online. Ich lese es im Zug auf dem Tablet und meine Frau zu Hause.
Und der Facebook-Tracker erscheint auch, wenn du mit deinem Abo eingeloggt bist?
Alexander: Ja. Der ist in beiden Varianten aktiv, ich habe das extra ausprobiert. Das finde ich frech, dass meine Daten an Facebook gegeben werden und ich mit Werbung vollgemüllt werde, obwohl ich zahle. Bei anderen Seiten wie Golem gibt es ja das Geschäftsmodell, dass man zahlt und dann ist die Werbung weg, das finde ich gut.
Seit wann weißt du, dass die Zeit deine Daten an Facebook gibt?
Alexander: Eigentlich hätte ich es schon immer wissen müssen, da ich ja regelmäßig IT-News lese. Man ist eigentlich nicht überrascht. Wirklich bewusst wurde es mir aber erst, als Mike Kuketz den Aufruf nach einem Zeit-Leser gestartet hat, der auch Facebook nutzt.
Es gibt ja eine Widerspruchsoption, bei der man ein Cookie bekommt und solange das aktiv ist, wird man nicht getrackt. Warum hast du das nicht genutzt?
Alexander: Ich wusste gar nicht, dass es das gibt. Das ist auch wieder so ein typisches „dark pattern“: dass es einem so schwierig gemacht wird, etwas auszuwählen, wenn es gegen die wirtschaftlichen Interessen der Website geht. Ok, kurzfristig wäre das schon eine Option gewesen. Aber grundlegend bleibt das Problem, dass ich die Datenweitergabe nicht richtig finde, vor allem wenn ich schon dafür zahle. Wenn überhaupt, dann sollte das eine zusätzlich Option sein, die per default nicht aktiv ist.
Manche sagen auch: Wenn man bei Facebook ist, darf man sich doch nicht wundern, dass man getrackt wird.
Alexander: Hach ja, die Ansicht finde ich ein bisschen eng. Man muss das ja auch historisch sehen, ich habe das Facebook-Konto seit 2008. Als ich das erstellt habe, hat man die Problematik sowohl wegen mangelnder persönlicher Reife aber auch aus der Zeit heraus gar nicht so wahrgenommen. Es war ja auch gar nicht so extrem und relevant wie heute. Damals war Facebook einfach eine coole Website, mit der man in Kontakt bleiben konnte mit Leuten, die man im Urlaub kennengelernt hat. Der Wendepunkt kam dann mit Edward Snowden. Und jetzt denke ich mir: Löschen bringt auch nichts mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Facebook irgendetwas löschen wird. Also nutze ich es noch manchmal, um mit ein bis zwei Leute Kontakt zu halten. Und auch Vereine wie die Feuerwehr schreiben ihre Nachrichten nur auf Facebook. Wenn ich da was mitbekommen will, nutze ich Facebook. Und wenn ich Facebook nicht mehr nutzen würde, würde ich ja trotzdem getrackt werden.
Und was stand bei der Beschwerde im Vordergrund: Eine grundsätzliche Überzeugung, dass Leseverhalten nicht personenbezogen weitergereicht werden sollen oder die Sorge um die Offenlegung von deinen konkreten Leseinteressen?
Alexander: Beides. Ich finde es grundsätzlich falsch, dass so riesige Datengräber geschaffen werden. Und bei meinen eigenen Daten befürchte ich, dass sie in der Zukunft irgendwann auch missbräuchlich genutzt werden. Das ist ja eine Erfahrung, die man im Lauf der Zeit gemacht hat. Mich ärgert auch, dass die Daten dann ausgerechnet zu Google und Facebook fließen. Die stehen doch ständig in der Kritik, z.b. jetzt mit Cambridge Analytica. Oder diese Ausrede, dass „durch einen blöden Fehler“ plötzlich die Daten von Whatsapp zu Facebook geflossen sind. Da sollten die Verlage mehr Fingerspitzengefühl zeigen. Ich sehe ja auch den Sinn dahinter, dass man so ein Zielgruppen-Tracking macht. Aber wenn die Zeitungsverlage ein Interesse an diesen Daten haben, dann könnten sie doch auch ihr eigenes Ding auf die Beine stellen, damit die Kontrolle wenigstens im eigenen Land bleibt.
Würdest du auch auf anderen Websites, wo du kein Abo hast, für ein trackingfreies Angebot zahlen?
Alexander: Ja, wobei es natürlich darauf ankäme, welche Angebote dann in so einem Abobündel wären. Vor allem, wenn ich mir das frei zusammenstellen könnte, dann würde ich das natürlich gerne machen. Mir ist guter Journalismus auch was wert, ich zahle jetzt für die Zeit 30 oder 40 Euro im Monat. Wenn es jetzt 60 Euro wären, dann wäre es mir das auch wert. Guter Journalismus ist wichtig und soll auch bezahlt werden.
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